Sonntag, 2. Juni 2019

Tag 8: Von Triest durch Slowenien nach Senj (Kroatien)

Mein Zimmer ist heute erstaunlich dunkel: Als der Wecker klingelt, schlafe ich noch tief und brauche wieder einen Moment, um mich zu orientieren. In Erinnerung der schweren Beine vom Vorabend, stehe ich vorsichtig auf. Beim Frühstück überlege ich, was ich machen soll. 155 km stünden heute an, mit schon einigen hm. Durch Slowenien nach Kroatien. Raus aus Italien. Sollte ich einen Ruhetag einlegen? Ich suche mit dem Handy nach Unterkünften, Triest ist offenbar inzwischen doch beliebter geworden. So richtig toll ist das alles nicht. Irgendwann bricht die WLAN-Verbindung ab. Das ist ein Zeichen: Ich soll weiterfahren. Eigentlich fühlen sich die Beine besser an, als befürchtet. Ich möchte einfach nicht aus Triest, aus Italien weg. Es war mir noch zu kurz, ich würde gerne länger hier bleiben. Auch hier ist das (Rad)Reisen wieder eine Parabel auf das Leben: Manchmal muss man sich von etwas lieb gewonnenem lösen und nach vorne blicken: Auch die kommenden Länder werden ihre Reize haben. Ich packe meine Sachen, hole Argos aus seinem Nachtlager, nehme noch einen (vorerst) letzten Cappuccino, und dann sind wir wieder unterwegs.

Aus Triest raus geht es erstmal ziemlich steil bergauf. Schnell werden die Häuser kleiner und flacher, bis die Bebauung tatsächlich einen dörflichen Charakter bekommt. Bis ich auf einem gegenüberliegenden Hügel ein Gebäude wie aus einem Endzeitfilm sehe: Ein riesiges Wohnhaus, ein Betonklotz, mit reichlich verwitterter Fassade. Ein trauriger Anblick und starker Kontrast zu den prächtigen Palazzi unten in der Stadt - jedes Land hat auch seine Schattenseiten.

Licht...

... und Schatten.
Hinter Triest kommt auch schon schnell die Grenze. Allerdings merkt man nichts davon, Schengen sei Dank. Ich mache schnell das obligatorische Foto und weiter geht's. Die Straße ist gesäumt von Bäumen, rings ist alles grün, die Häuser sehen genau so aus, wie in Italien. Mir kommen mehr Radler als Autos entgegen, und meinen gewunkenen Gruß erwidern die allermeisten mit "ciao". Offenbar die Hausstrecke der Triesteser. Ist aber auch wirklich schön. Gewissermaßen fahre ich jetzt durch den Anschluss der Halbinsel Istrien. Die Straße wellt sich durch eine grüne Landschaft, und bei den Abfahrten wird mur wieder bewusst, warum man sagt, dass das Radfahren dem Menschen ein Gefühl vom Fliegen vermittele. An einer Kreuzung biege ich ab und sehe in ein paar hundert Meter Entfernung eine andere Radfahrerin vor mir. "Na warte, Dich habe ich gleich!", denke ich. Ed dauert aber doch ganz schön lange, bis ich halbwegs an ihr dran bin. Sie fährt ein Crossbike (in den 90ern wäre es als leichteres Mountainbike durchgegangen), in aufrechter Haltung. Ihre Trittfrequenz ist mindestens 20% niedriger, als meine. "Das muss doch ein E-Bike sein.", denke ich. An den Anstiegen vergrößert sich unser Abstand wieder. Während ich versuche, mit (halbwegs) konstanter Leistung zu fahren, macht sie stumpf konstanze Geschwindigkeit. Sie schaltet kaum, sondern geht nur kurz aus dem Sattel, wenn es ihr zu arg wird. Ich muss an einen Schiffsdiesel denken, Zweitakter. An ihrem Fahrrad, kann ich nirgendwo einen Akku oder Motor erkennen. Die Dame wird mir unheimlich. Anstatt sie mir weiter zurecht zu legen, beschließe ich, einfach hinter ihr zu bleiben. Nichts ist peinlicher, als zu überholen und am ersten Anstieg einzubrechen. Nach einigen Kilometern verlangsamt sie doch ihr Tempo. Nun muss ich vorbei, sonst denkt sie noch ich wolle sie ärgern. Ich bleibe kurz auf ihrer Höhe. "Hi." - "Bonjour.", antwortet sie. "Good pace." lächle ich sie an, und bereue es sofort: Wer bin ich, ihr zu sagen wie sie fährt? Aber sie hat es mir nicht übel genommen: "Thank you." kommt freundlich zurück, und ich gebe Argos die Sporen, während sie sich (vermutlich aus Höflichkeit), zurück fallen lässt.

Ach Italien, muss ich schon gehen?



Die fliegende Slowenin
Bald kommt auch schon die Grenze. Aus irgendwelchen Gründen gilt zwischen Slowenien und Kroatien das Schengener Abkommen nicht, so dass es Kontrollen gibt - und mitunter sogar Schlangen. Ist wohl eher eine Formsache, denn niemand sieht sich meinen Ausweis an. In Kroatien bekomme ich langsam Hunger. Bei der nächstbesten Konoba (Restaurant?) kehre ich ein. Ich entscheide mich für eine Tagliata und ein Dessert, dessen Name mich irgendwie an Palatschinken erinnert. Dazu eine Apfelschorle und ein Kaffee. Dafür muss ich ca. 13 Euro bezahlen. Es war kein touristischer Laden, aber mir wird bewusst, was für ein günstiges Urlaubsland Kroatien ist. Und mit einer vielseitigen Küche, mit italienische und KuK Einflüssen.

Ein Anblick, den man als EU-Bürger nicht mehr gewohnt ist


Tagliata di Manzo (Roastbeefstreifen auf Rucola)

Tatsächlich ein Palatschinken - die kroatische Küche bietet das Beste aus verschiedenen Welten
 Bald komme ich nach Rijeka. Ich fahre nur durch, aber fühle mich etwas an Genua erinnert: Eine Hafenstadt mit z.T. rauheren Außenvierteln und einer tollen Innenstadt. Hinter Rijeka fahre ich die Küstenstraße entlang. Die Landschaft wird nun immer mediterraner, es ist sommerlich warm, ales sehr angenehm. Zur Feier des Tages gönne ich mir an einer Tankstelle ein Eis am Stiel (eine kroatische Marke - sehr lecker) und bald bin ich schon in Senj. Für die Nacht ist kein Regen vorhergesagt, es gibt einen schönen Campingplatz direkt am Meer - endlich wieder zelten. Zum Abendessen gibt es eine feine Dorade und ein Glas lokalen weißen Malvasia (in Deutschland habe ich von der Rebsorte noch nie gehört, aber geschmack- und namentlich erinnert er stark an den Malagousia, den ich aus Griechenland kenne ;) ). Morgen geht es in einen Ort namens Benkovac, nicht direkt an der Küste und kaum touristisch - bei Booking ist dort keine Unterkunft gelistet. Mal sehen :) Gute Nacht für heute.






4 Kommentare:

  1. Malvasia trinkt man gern Istrien , meist holen wir uns paar Liter vom nächsten Weinbauern :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, der war wirklich gut. Schade, dass ich auf Argos nichts mitnehmen kann ;)

      Löschen
  2. Du hattest doch zwei Trinkflaschen !

    AntwortenLöschen
  3. Oh Mann, wäre ich darauf mal gekommen :)

    AntwortenLöschen