Montag, 17. Juni 2019

Tag 23: Von Trikala nach Vourgareli im Pindos-Gebirge

Als ich heute aufwache, bin ich für einen Moment
ziemlich orientierungslos. Im Zimmer ist es dunkel und ich habe noch nicht mal eine Idee, in welchem Land ich bin. Vielleicht hat ein Traum mich durcheinander gebracht? Zumindest das Land habe ich nun schon einige Zeit nicht mehr gewechselt...

Ich finde mich aber schnell wieder zurecht: Ah, das Panhellinion in Trikala. Es könnte schlimmer sein. Das Frühstück gibt es auf einem Platz vor dem Hotel unter Platanen. Ich schaue mich ausgiebig nach dem Buffet um, bis ich mir sicher bin, dass es keines gibt: Ein älterer Kellner in Tuchhose und Hemd bringt den Gästen das Frühstück an den Tisch. Wie gesagt, es ist ein etwas altmodisches Haus. Kulinarisch ist das Frühstück kein Höhenflug, aber als Buffet-Muffel bin ich dem Kellner sehr dankbar. Beim Auschecken halte ich noch ein Schwätzchen mit dem Sohn der Eigentümer, der mir zum Abschied noch eine Flasche Wasser schenkt: Es wird ein heißer Tag.

Als ich dann aufbreche, sehe ich ein paar Leute in Laufshirts. Und tatsächlich, ein paar Meter weiter ist der Zieleinlauf von einem Volkslauf. Im Vergleich zu den Läufen, die ich aus Deutschland kenne, ist leider nicht so viel los. Vereinzelt tröpfeln die Finisher ins Ziel, wo außer einer Handvoll mutmaßlicher Angehöriger eigentlich kaum jemand zuschaut. Aber es gibt einen Kommentator, Medaillen für die Finisher, Getränke, einen Krankenwagen für den Fall der Fälle - ein richtiger Lauf. Hätte ich das mal vorher gewusst, vielleicht hätte ich wirklich noch meine Laufschuhe mitgenommen :)



Nun wird es aber wirklich Zeit. Ich verlasse die Stadt und mache mich auf den Weg zum Heimatdorf meiner Mutter. Wir fahren durch Mais- und Weizenfelder, und mir wird bewusst, wie fruchtbar diese Gegend offenbar ist. Allerdings ist es im Sommer auch sehr heiß, und bereits jetzt werden manche Felder bewässert. Die Wassersprenger führen doch eine echte Choreographie auf.

Am Ortseingang von Mavromati (bedeutet "Schwarzes Auge") liegt der Friedhof, und so besuche ich direkt die beiden Einzigen, die ich hier noch kenne: Meine Großeltern. Ansonsten gibt es natürlich noch ein paar entfernte Onkel und Tanten, aber niemanden, dem ich einen Besuch abstatten müsste. Ich komme auch an dem Haus eines Onkels vorbei (der in Athen lebt) und erinnere mich an glutheiße Sommer mit Cousin und Cousinen, das Spielen an der Quelle am Berg, das Suchen nach Schildkröten, die Versuche den Hühnern das Fliegen beizubringen, die Diskussionen ob man in diesem oder jenem Laden das Eis kauft, den Geruch im Haus meiner Großmutter (was inzwischen nicht mehr steht)... Damals war es eine andere Welt. Es ist das erste Mal, dass ich wirklich ganz alleine hier bin, und als mir das bewusst wird, werde ich für einen Moment etwas traurig. Dieser Ort an sich ist nicht so etwas besonderes - es sind die Erinnerungen, die er herbeiruft, und die ich gerne teilen würde. Aber diese Reise geht eben nur alleine, und das ist auch gut so.

Von Mavromati fahre ich über Mouzaki und Pyli in Richtung der Berge. Ich Mouzaki hält neben mir ein Wagen und der Fahrer fragt, ob ich zufällig hier aus der Gegend käme. Ich muss innerlich lachen - ich komme rund 2500 km nordwestlich von hier :) In Pyli esse ich noch eine Kleinigkeit, denn ich bin mir nicht so sicher, wann die nächste Gelegenheit kommt - nun geht es in die ziemlich dünn besiedelten Berge. Nach ein paar Minuten traue ich meinen Augen kaum: Mir kommt eine Gruppe von mindestens 20 Rennradfahrern entgegen, die mich auf Griechisch grüßen. Mir sind heute bereits 4 einzelne Rennradler entgegengekommen, aber so eine Gruppe! Ich bin ehrlich beeindruckt und auch ein bisschen stolz auf die sportbegeisterten Leute aus der Heimat meiner Mutter :)

Aber jetzt bin ich auch dran mit Sport: Es geht steil und nachhaltig bergan. Schnell verändert sich die Landschaft wieder und es wird spürbar kühler. Was mir nicht gefällt ist, dass der Himmel in westlicher Richtung (da möchte ich hin) ziemlich duster ausschaut und ich immer häufiger ein fernes Donnergrollen höre. Ich beobachte weiterhin den Himmel, aber es macht alles einen recht statischen Eindruck: Das schlechte Wetter scheint sich in den Bergen verfangen zu haben. Irgendwann kommen auch ein paar vereinzelte Regentropfen, aber ich versuche es erstmal weiter ohne Jacke. Endlich nähere ich mich dem Gipfel. Es gibt einen neuen Tunnel, der einem das beste Panorama vorenthält. Die alte Straße ist offiziell gesperrt, aber bei Google Earth habe ich gesehen, dass sie eine spektakuläre Aussicht bietet. Ich verstehe jedoch schnell, warum Autos hier nicht mehr fahren sollten: Die Straße ist zum Teil stark abgesunken, der Belag ist an vielen Stellen defekt und die Bäume wachsen auf den Weg. Beeindruckend, wie die Natur sich zurück holt, was ihr gehört. Als ich auf der Passhöhe ankomme, bin ich wirklich begeistert: Die gegenüberliegenden Gipfel sind zum Greifen nah. Ich beeile mich, schnell ein paar Fotos zu machen, denn es ist inzwischen ziemlich stürmisch und der Höhenmesser steigt, obwohl ich mich gar nicht bewege... Dann nehme ich doch wieder den Weg zurück, den ich gekommen bin: Auf der anderen Seite ist die Straße unbefestigt und ich habe wenig Lust bei Gewitter auf einem Berg einen neuen Schlauch einzuziehen.







Die Abfahrt ist nicht so lang, wie gestern. Stattdessen wartet noch ein Stück auf und ab auf mich. Mein Ziel für heute ist ein Ort namens Mesochora ("Dorf in der Mitte"), und ein paar Kilometer vorher fängt es tatsächlich an zu regnen, so dass ich die Regenjacke anziehe. Als ich in Mesochora ankomme, bin ich dann einigermaßen enttäuscht. Irgendwie hatte ich mir den Ort größer vorgestellt. Im Moment kann ich nur ein paar verstreute Häuser ohne rechten Ortskern erkennen. Und es regnet, auch wenn Mesochora dafür nichts kann. Als ich auch keine rechte Unterkunft finde, beschließe ich erleichtert, einfach keine Nacht an diesem gottverlassenen Ort zu verbringen, und noch gut 30 km weiter zu fahren - nach Vourgareli. Dort gibt es wohl ein paar Pensionen und es soll auch ganz nett sein. Das Navi sagt zwar noch absurdes Klettern vorher, aber es gibt dann zum Glück viele Tunnel, die vom Navi natürlich nicht berücksichtigt werden. Gegen kurz nach acht komme ich dann an und es ist tatsächlich wesentlich einladender: Die Landschaft weitet sich nach Westen hin spürbar, ich meine sogar, irgendwo das Meer zu sehen. Und über dem Ort ist doch noch ein stattlicher Berg. Best of both worlds.

Morgen geht es wieder zurück an die Küste - an das schöne Ionische Meer. Gute Nacht für heute.






2 Kommentare:

  1. Mich wundert es kein bischen, dass die Griechen so sportbegeistert sind. Schließlich besitzen sie doch auch das Patent auf die olympischen Spiele ;)

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    1. Das stimmt allerdings - war mir kurz entfallen :)

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