Donnerstag, 6. Juni 2019

Tag 12: Von Mostar (Bosnien und Herzegowina) nach Slano (Kroatien)

Heute klingelt der Wecker erst etwas später, weil es gestern Abend auch etwas später war. Die Nacht war recht kurz, aber doch erholsam. Und zum Glück ist die Nachmittagsmüdigkeit auf dem Fahrrad kaum zu spüren (ganz anders als am Schreibtisch). Ich mache mich also schnell fertig - ich möchte ja auch noch ein Ründchen durch Mostar bei Tageslicht drehen.

Die Touristenfluten sind bereits da - busweise werden sie durch die Altstadtgassen zur Brücke geführt. Dorthin gehe ich auch nochmal. Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass die Klippenspringer von der Brücke springen. Und tatsächlich steht oben ein Typ in Badehose, turnt hinter dem Geländer herum und genießt offenkundig die Aufmerksamkeit, die ihm alle in Sichtweite entgegen bringen. Ich warte 5 Minuten, bis mir bewusst wird, dass es auch noch 2 Stunden dauern kann, bis er wirklich springt. Vielleicht geht auch jemand mit dem Hut herum und er springt nicht. ehe 200 Bosnische Mark zusammen gekommen sind? Argos und ich gehen weiter. Plötzlich sehen wir vor einem Bäcker ein Gravelbike (ein robusteres Rennrad mit dicken Reifen für kleine Crossausflüge) mit kompletter Bikepacking-Bepackung. Es gehört Simon, der gerade für 3 Wochen in Bosnien, Kroatien und Montenegro unterwegs ist. Simon ist Engländer und spricht ein geschliffenes Oxford-English. Sehr angenehm. Seine nächste Station ist Sarajevo. Sicher auch interessant, aber leider nicht auf meinem Weg. Wir nehmen uns beide vor, nochmal nach Mostar zu kommen und dann etwas mehr Zeit zu haben und verabschieden uns.

Da würde ich auch nicht mal eben herunterspringen


Argos beschnuppert einen Artgenossen

Was das wohl für ein Gebäude ist
Für mich ist es inzwischen auch höchste Zeit. Es stehen zwar nur gut 140 km auf dem Soll, aber es ist auch schon spät genug. Wir verlassen die Stadt entlang des Flusses, auf einem Radweg. Zwischenzeitlich stutze ich etwas, als 3 km davon nicht asphaltiert sind. Mein Routenplaner sollte eigentlich nur befestigte Straßen mit einplanen, aber ich denke mir noch nichts dabei. Nach rund 40 km nehme ich bei einem Bäcker ein zweites Frühstück und weiter geht's. Langsam kommen die Berge, worüber ich eigentlich ganz froh bin. Diese Fahrerei auf topfebenen Radwegen finde ich immer schnell etwas langweilig. Allerdings fällt mir irgendwann auf, dass das Navi meint, wir wären nicht auf dem richtigen Weg. Dabei habe ich gar keine Abzweigung gesehen. Ich werde etwas unruhig und schaue auf meinem Handy nach de Weg. Eigentlich sieht alles gut aus, also weiter. Hinterher verstehe ich, dass die OpenStreetMaps in Bosnien offenbar nicht ganz up to date sind und der Weg, den mein Navi wollte, noch gar nicht existiert. Inzwischen sind wir gut geklettert und fahren auf einer alten Bahntrasse oberhalb einer Hochebene. Eigentlich ganz nett, aber auch etwas eintönig. Der Straßenbelag ist ziemlich rumpelig und es ist wirklich nichts los. Über 35 km kommen uns nur 3 Autos entgegen. Die paar Dörfchen, die ich sehe, wirken ziemlich ausgestorben. Irgendwie trostlos. An den alten Bahnstationen hat man Schilder zur Erklärung angebracht, und ich frage mich, warum hier früher mal eine Eisenbahn fuhr - hier gibt es doch nichts...


So sieht ein bosnisches Dorf ohne Touristen aus


Ein toller Anstieg

Die Hochebene

Eine vorsichtige Schildkröte

Ein neugieriger Marder
Aus dem Nichts taucht plötzlich ein schickes Hotel auf, wo man Fahrräder leihen kann, oder einfach nur etwas trinken. Letzteres tun die meisten Touristen, die ich sehe; offenbar eine amerikanische Reisegruppe. Ich folge meiner Route, doch nach 5 km wird der Weg wieder unbefestigt. Mit Argos morschen Speichen will ich das nicht riskieren und suche mir mit dem Handy einen anderen Weg. Nach 12 km komme ich an die Grenze. Der Grenzbeamte ist sehr freundlich, aber er erklärt mir, das dieser Grenzübergang nur für Einheimische sei. Ich müsse einen anderen Übergang nehmen, 30 km von hier. Ich sehe ihn eindringlich an, erkläre, dass ich heute bereits 110 km in den Beinen habe, immerhin wolle ich ja kein Auto mit über die Grenze nehmen. Aber er lässt sich nicht erweichen. "Where do you come from?", fragt er mich. "From Germany." - "All the way by bike?" - "Yes. - "Congratulations. Now you can go a little further.", sagt er nicht unfreundlich, und verschwindet in sein Häuschen.

Ich versuche, es sportlich zu nehmen, aber zwischenzeitlich fluche ich wüst vor mich hin. Es ist inzwischen Viertel nach Sieben, über meinen "neuen" Weg sind es noch 60 bis 70 km nach Dubrovnik. Mist. Kurz vor der "richtigen"Grenze finde ich einen Supermarkt. Ich kaufe eine Cola und eine Tüte Chips, die ich mir beide vor dem Laden in kürzester Zeit einverleibe. Ich bin schockiert über ich selbst: Cola und Chips! Immerhin eine lokale Cola, die ein bisschen an italienisches Chinotto erinnert. Ein Herr, der mit seiner Frau vor dem benachbarten Café sitzt, spricht mich an: "Where do you want to go?" - "I don't know.", antworte ich wahrheitsgemäß, denn für Dubrovnik ist es einfach zu spät. Er empfielt mir, nach Slano zu fahren. Es läge auf dem Weg, sei aber wesentlich näher. Ich denke noch kurz darüber nach, doch nach Dubrovnik zu fahren, aber nach 22 Uhr ankommen ist auch blöd.

So habe ich heute zum ersten Mal auf dieser Reise mein Tagesziel nicht erreicht. Die 30 km, die nach Dubrovnik fehlen, habe ich in den Bergen verfahren. Vielleicht ist es auch mal ganz lehrreich, damit umzugehen, etwas nicht erreicht zu haben. Und vielleicht gehört diese Lektion auch zu dieser Reise dazu. Wenn dann ab jetzt wieder alles klappt, ist ja alles gut ;) Das morgige Etappenziel, Bar in Montenegro, rückt damit jedenfalls auch 30 km weiter weg. Ich werde morgen sehen, wie ich mich fühle und schauen, wie weit ich komme. Gute Nacht für heute.




8 Kommentare:

  1. Wenn alles immer nach Plan liefe, wäre das Leben doch viel zu einfach....übrigens super Blog, bleibe Dir auf den Versen ;-)
    Roland

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  2. Hallo Thomas, in 11 von 12 Fällen volle Erfüllungsquote, ist doch super, wenn wir soviel Erfolg mit unseren „colourful Fluid Dynamics“ hätten... weiterhin gute Fahrt viele Grüße André
    P. S weniger Bremskräfte auf die Speichen übertragen, vielleicht hilft das gegen Speichenbruch ??;-)

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    1. Stimmt, dann bräuchte ich auch nicht ständig die Bremsbeläge tauschen ;)

      Viele Grüße,

      Thomas

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  3. Hallo Thomas. Auch ich folge Dir. Beeindruckendes Unterfangen. Ich wünsche Dir weiterhin interessante Erlebnisse und eine sichere Fahrt.
    Gruß, Heiko

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    1. Moin Heiko,

      schön dass Di dabei bist!

      Viele Grüße,

      Thomas

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  4. Hi Thomas,

    It was good to meet you in Mostar, I'm glad your journey is continuing well. It sounds like the weather goes are smiling on you. Later in Sarajevo & there was a huge hail storm & the roads turned to rivers!

    I'm leaving for Rogatica tomorrow & then Sutjeska national park before heading into Montenegro.

    Good luck with your travels!

    Simon.

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    1. Hi Simon,

      good to hear from You. Oh dear, hail storm sounds really tough. I hope you could dry your stuff and enjoy Sarajevo :) Bosnia is great, just like Montenegro and Albania - I wish I had more time...

      Enjoy your journey and take care,

      Thomas

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