Montag, 10. Juni 2019

Tag 17: Über den Llogara-Pass nach Igoumenitsa

Der Wecker klingelt um 8 Uhr und es ist noch stockdunkel im Zimmer. Ich hatte also noch richtig geschlafen, ohne Schlafmaske – toll, was eine richtige Verdunkelung so schafft… Das Frühstück ist heute zum ersten Mal auf dieser Reise so gar nicht kontinental: Kein Obst, kein Müsli, kein Aufschnitt. Stattdessen 4 unterschiedliche, offenkundig hausgemachte Marmeladen, eine Art Tsatsiki, Weißbrot, trockene Plätzchen und zwei Sorten Käse. Weißen, ähnlich wie Feta, und gelben. Und ein Schälchen Oregano. Der Kaffee ist eine große Kanne Mokka, also schwimmt der Kaffeesatz noch darin herum. Butter sehe ich keine. Als ich den gelben Käse mit Oregano bestreue und erwartungsvoll hineinbeiße, merke ich, dass es doch Butter gibt. Alles in allem ein ziemlich authentisches Frühstück.

Vom Hotel bis zur Passhöhe sind es tatsächlich nur noch rund 250 hm. Oben treffe ich ein Ehepaar aus Wien, die mit Klapprädern reisen. Sie verraten mir den Grund: Ohne Voranmeldung kann man jeden Bus, jeden Zug einfach nehmen. Ein Riesenvorteil, wenn ich an meine elende 19 stündige Rückfahrt von Florenz mit Argos im Flixbus denke… Außerdem treffe ich noch einen sportlichen Bayern mit seinem Mountainbike. Er kommt bereits seit Jahren mit seiner Familie nach Dhermi, am Fuße der südlichen Rampe des Passes, und fährt praktisch jeden Morgen zum Aufwachen die 1000 hm hoch. Als ich ihm erzähle, dass ich heute noch bis Igoumenitsa möchte, beruhigt er mich: „Das geht schon noch etwas auf und ab, aber das schaffst Du schon.". Ich erinnere mich, dass es laut Routenplaner wirklich viel auf und ab war. Ich fange schon an zu rechnen, wieviel Zeit mir wohl bleibt, bis die letzte Fähre geht. Mit Zeitumstellung noch eine Stunde weniger… Wird schon gehen, erstmal ein paar Kilometer machen.

Die ersten 60 km sind wunderschön. Nicht umsonst nennt man die Gegend albanische Riviera. Der Pass stellt wohl auch eine gewisse kulturelle Grenze dar: Südlich sind die Menschen überwiegend Orthodox und es gibt eine griechischstämmige Minderheit. Dementsprechend gibt es auch immer mehr griechische Namen: Taverna Portokali, Rooms Nefeli… Außerdem gibt es hier plötzlich westeuropäische Touristen, also Fahrzeuge. Im nördlichen und mittleren Albanien eine Seltenheit, kommen mir hier viele französische und deutsche Autos entgegen. Allerdings geht es tatsächlich ständig auf und ab. Ich merke meine Oberschenkel, und nach 50 km bin ich bereits so hungrig, dass ich etwas esse. Im Flachen komme ich auch mal gut 90 km hin… In einem Anstieg sehe ich, in entgegenkommender Richtung, einen anderen Rennradtourer. „You crazy dog!", begrüßt er mich lachend. „You are the crazy dog!" erwidere ich und zeige auf sein Radl. Stefan kommt aus Graz und da fährt er auch hin. Er ist vor 5 Tagen in Athen gestartet und also auch schon in seiner Reise „angekommen". Wie ich ist r aber auch überrascht von dem ständigen auf und ab in dieser Gegend. Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und weiter geht's.

Nach 60 – 70 km verlässt die Straße die Küste das Meer und geht ins Inland. Es ist zwar nicht mehr so kurzweilig, aber dafür relativ eben: Argos und ich segeln zügig dahin, immer weiter der Grenze entgegen. Unterwegs verputze ich noch zwei Eis und dann kommt ich schon die Grenze. Ich werde nachdenklich: Wie oft habe ich von Korfu hier rüber geschaut und ich gefragt, wie es hier wohl wäre? Anstatt einfach mal rüber zu fahren, stellte ich mir ein postkommunistisches Drittweltland vor. So ein Quatsch! Albanien ist ein faszinierendes Land im Umbruch, exotisch durch seine einmalige Sprache, und in weiten Teilen auch noch sehr authentisch. Ich werde sicher wiederkommen, und bin froh, dass ich endlich mein Bild von Albanien gerade rücken konnte.

Von der Grenze sind es noch knapp 30 km bis Igoumenitsa. Die Fahrt geht ziemlich schnell, und als ich endlich ankomme, finde ich einen vertrauenerweckenden Laden und kaufe 3 Pitas mit Souvlaki (normalerweise platze ich nach 2) und 2 Dosen Fix (DAS griechische Bier). Die freundliche Dae im Hafen sagt mir, dass die Fähre erst in einer guten Stunde fährt – auch gut. Auf der Mole im Sonnenuntergang sitzend nehme ich mein Abendessen, und denke über diese Reise nach. In dieser Stadt war ich schon so oft, aber dieses Mal sehe ich sie mit anderen Augen – ich bin mit dem Fahrrad hergekommen. Eigentlich denke ich immer „Du bist mit dem Rad gefahren, lso ist es nicht weit". Aber andererseits bin ich 16 Tage Rad gefahren, von morgens bis abends, um hier her zu kommen. Entgegen dem Zeitgeist fühle ich, dass die Welt groß ist und die Menschen klein sind. Ich habe jetzt doch eine gewisse Ehrfurcht vor der Distanz. Andererseits ist mir auch bewusst geworden, dass es kaum harte Grenzen gibt. Vegetation, Landschaften, Kulturen gehen fließend ineinander über. Irgendwie schafft das auch eine Verbindung, von der man nichts mitbekommt, wenn man in 2 ½ h rüberfliegt. Natürlich kann man nicht immer so viel Zeit investieren, aber für mich wirkt diese Ecke unseres schönen Kontinents gerade deutlich mehr zusammengehörend…

Gleich kommt die Fähre auf Korfu an; von der Stadt sind es noch ca. 27 einigermaßenbergige Kilometer bis nach Hause. Ich werde gemütlich in 1 ½ Stunden heim kurbeln. Die Bilder von heute lade ich morgen hoch – mein Datenvolumen ist schon wieder aufgebraucht…

Nun stehen ein paar Erholungstage an. So Gott will und Argos und ich uns dann wieder fit fühlen, werden wir am 14. Für ein paar Tage zu einer kleinen Runde über das Festland aufbrechen. Den nächsten echten Bericht gibt es dann also sehr spät am 14., praktisch am Morgen des 15. zu lesen.

Für den Moment möchte ich ganz herzlich allen für das Mitlesen danken – ich freue mich, dass sich so viele unterschiedliche Menschen ür dese Reise interessieren. Und ganz vielen Dank für alle Kommentare, Zuschriften, Nachrichten und guten Gedanken, die mich erreicht haben. Dank Euch allen habe ich mich in diesen 2 ½ Wochen nie alleine gefühlt :) Bis bald und gute Nacht für heute.

16 Kommentare:

  1. Hallo Herr Ceyrowsky. Herzlichen Glückwunsch zu dieser gelungenen Tour. Es freut mich, dass Sie und Argos gesund und wohlbehalten auf Korfu angekommen sind. Auf Ihre Berichte habe ich mich jeden Morgen gefreut. Nach den Tagestouren noch solch lebhafte Berichte zu schreiben und mit eindrucksvollen Bildern zu versehen ist eine weitere starke Leistung. Bei mir haben Sie jedes Mal ein gewisses Fernweh ausgelöst. Beeindruckend fand ich Ihren Satz "wenn mann immer etwas langsamer fährt als man fahren könnte, kann man den ganzen Tag fahren". Den Satz habe ich einer Bekannten mitgegeben, die in der kommenden Woche zu einer Alpenüberquerung startet. Viele Grüße und mit großem Respekt - Dieter Deckenbach

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    1. Vielen Dank, Herr Deckenbach, fürs Mitlesen und Ihren Kommentar!

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  2. Glückwunsch, Thomas,zu dieser Leistung! Auch wir haben jeden morgen Deine Berichte verschlungen und Dich gedanklich begleitet! Liebe Grüße aus der Heimat

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    1. Vielen Dank und herzliche Grüße in die Heimat!

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  3. Herzlichen Glückwunsch Thomas! Du hast etwas wirklich beeindruckendes geschafft und ich habe jeden Morgen deine Berichte verschlungen. Jeder Tag war abenteuerlich, hochinteressant und dennoch häufig zum Schmunzeln. Bei mir hast Du auf jeden Fall wieder die Reiselust geweckt. Nachdem ich letztes Jahr mit dem Mountainbike über die Alpen gefahren bin, steht dieses Jahr vielleicht wieder eine Radreise an der Donau oder am Rhein an. Beste Grüße Sebastian J.

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    1. Vielen Dank, Sebastian, und Euch auch eine schöne Tour - auf jeden Fall machen :)

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  4. Hallo Thomas, vielen Dank für Deine tollen Reiseeindrücke und Deinen Blog; wir haben uns dank Deines Blogs wie auf eigener Radreisende durch Europa gefühlt und Lust auf die vielen Länder Deiner Reise bekommen. Erhol Dich gut, viele Grüße André und Nina

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    1. Herzlichen Dank, Ihr Lieben! Ich habe mich auch ein bisschen so gefühlt, als wäret Ihr dabei :)

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  5. Herzlichen Glückwunsch Thomas!!!
    Du hast es geschafft 👏👏👏 Chaupeu 🎩
    Danke für die faszinierende Reise die wir mit dir erleben durften!
    Gute Erholung

    Lieben Gruß Anja Oberdellmann

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    1. Vielen Dank, Anja, auch fürs Mitlesen! Viele Grüße aus dem sonnigen Griechenland!

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  6. Herzlichen Glückwunsch zu Deiner Leistung und zu den tollen Bildern und wunderbaren Berichten! Ich habe Dich verfolgt und bin begeistert, einfach klasse! Liebe Grüße nach Pagi.
    Da möchte ich auch mal wieder hin, aber nicht mit dem Rad😜. Thomas.j.zimmer@web.de

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    1. Vielen Dank, Tom! Viele Wege führen nach Pagi :)

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  7. Herzliche Glückwünsche und riesen Kompliment!!! Es ist schön, dass diese unglaubliche Leistung mit so schönen Erlebnissen und tollen Erfahrungen belohnt wurde.
    Vielen Dank auch, dass wir daran teilhaben durften.
    Noch weiterhin einen schönen Urlaub.

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  8. Hallo Tom,
    versuche heute mal, eine Direktantwort von deinem Blog aus. Den lobenden Worten meiner Co-Kommentatoren schließe ich vollumfänglich an. Toll, daß deine Kondition noch einen kl. GIRO DE HELLASA zulässt. Diese Strecke erleichtert mir die Mitverfolgung um einiges. Allerdings kann ich deinen Schweiß und die Strapazen "nur" gedanklich erleben, habe ich die Strecken doch etwas komfortabler hinter dem runden Steuerrad sitzend bewältigt. Gute Rückkehr nach Pagi, Giasou & Filakia polla, paps

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    1. Hallo Paps,

      vielen Dank :) Ja, als ich von Pyli den Pass hochfuhr dachte ich auch an den armen Twingo, der dort ebenfalls schon rauf geklettert ist. Gab es damals schon den Tunnel ganz oben, oder fuhrt Ihr außen (südlich) herum?

      Dir / Euch einen guten Tag in Wtal und Filakia polla,

      Dein Tom

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