Dienstag, 18. Juni 2019

Tag 24: Von Vourgareli (Pindos-Gebirge) nach Parga (Ionisches Meer)

Die Vorhänge verdunkeln das Zimmer nur leicht, so dass ich in den frühen Morgenstunden die Schlafmaske aufziehe. Als dann der Wecker klingelt, schlafe ich tatsächlich tief. Noch im Bett liegend ziehe ich die Vorhänge beiseite und sehe das:


Ein ziemlich guter Start in den Tag. Schnell mache ich mich fertig. Zum Frühstück gibt es unter anderem eine Γαλατόπιτα, eine "Milchpita". Pita kann in Griechenland so ziemlich alles sein, was man irgendwie an Teig im Ofen zubereiten kann - egal ob süß oder herzhaft, Blätterteig oder nicht. Diese erinnert mich ganz entfernt an einen Käsekuchen - habe ich so noch nicht gegessen, und das passiert mir in Griechenland nicht mehr oft. Sehr lecker :)

Als ich losfahre, komme ich noch mit einem israelischen Paar ins Gespräch. Die beiden sind zum Wandern hier, und ich habe mir fest vorgenommen, das nächste Mal auch Wanderstiefel und etwas mehr Zeit im Gepäck zu haben - es ist eine tolle Gegend. Er fragt mich, ob mir das ganze auf und ab nichts ausmache. Ich zucke mit den Schultern und denke noch über eine Antwort nach, als er mir zuvorkommt: "Ah, that's life.", bringt er es auf den Punkt.

Als ich losfahre, merke ich, wie sich ein warmes Gefühl der Zufriedenheit in mir ausbreitet. Der Himmel ist blau, ich bin in einer schönen Landschaft, Argos fühlt sich gut an und vor mir liegt nichts als ein weiterer Tag Radfahren - welch ein Glück! Zu allem Überfluß werde ich heute auch noch eine deutlich negative Höhenbilanz haben - Vourgareli liegt auf etwas über 700 m.ü.A. und wir fahren ans Meer. Dementsprechend geht die Straße in Serpentinen ausdauernd bergab - ich überhole einen LKW - bevor der nächste Anstieg kommt. Mit geschätzten 6 % Steigung zieht er sich lange dahin, aber lässt mir genügend Luft, um die Umgebung zu genießen. Die Straße gehört mal wieder fast Argos und mir allein, sehr angenehm. Nach diesem längeren Anstieg kommt eine entsprechende Abfahrt, und dann sind auch schon die ersten 60 km des Tages um, als ich im Städtchen Arta ankomme. Es ist zwar noch recht früh für eine Pause, aber Arta wollte ich mir schon immer mal ansehen. Allerdings ist es gerade kurz vor 14 Uhr und die Stadt ist wie ausgestorben - Siesta. Selbst die meisten Kioske sind verschlossen. Ich finde einen Laden, der verschiedene Pitas anbietet. Allerdings haben sie eine Aktion und man erhält beim Kauf einer Pita eine weitere dazu. Ich möchte zwei - aber zwei unterschiedliche. "Kein Problem", meint das Mädchen, ich könne eine andere zum selben Preis nehmen. "Ich möchte aber zwei zu unterschiedlichen Preisen, ich zahle einfach die Teurere." - "Nein, das geht nicht." - "Aber wenn ich die Teurere zahle...". Sie bleibt beharrlich, und ich fühle mich ein bisschen wie bei einem Amt. So muss ich leider eine Bougatsa dazu nehmen, ein Blätterteiggebäck mit einer speziellen Vanillecreme-Füllung, Puderzucker und Zimt :) Nach dem Essen setze mich noch schnell in ein Café und mache etwas, das man heutzutage in einem hippen Laden in Griechenland eigentlich nicht mehr tut: Ich bestelle einen Frappé - einen kalten, aufgeschäumten Nescafe auf Eis, mittelsüß mit einem Schuss Kondensmilch. Ein super erfrischendes Getränk im Sommer, und bis vor einigen Jahren der Renner, vermutlich sogar eine griechische Erfindung. Ich bin restlos überzeugt von diesem Getränk. Allerdings bevorzugen die jüngeren Griechen heutzutage Freddocappucino und Freddoespresso. Auch beides aufgeschäumt, auf Eis und nicht übel. Allerdings stellen sie den Frappé zu Unrecht in den Schatten - er gilt wohl immer mehr als der Kaffee der Taxifahrer... Ich arbeite daran, dem Frappé zu einem coolen Comeback zu verhelfen - die Adilette ist ja auch wieder gekommen ;)


Sind das nicht Kapern?





Das Wahrzeichen von Arta

Ab Arta ist es ziemlich flach. Nach den letzten beiden Tagen weiß ich dies wieder zu schätzen - auch wenn ich gerne in den Bergen fahre, ist es doch ein gutes Gefühl, in der Ebene schnell unterwegs zu sein. Hinter dem Ortsausgang von Louros treffe ich einen anderen Radreisenden - Vincent aus Paris. Sein Rad sieht eher nach klassischem Tourer aus, mit Taschen am Gepäckträger und der Gabel. Er staunt über mein leichtes Gepäck und ich über sein schweres. Allerdings ist er auch schon seit Mitte April unterwegs. Als ich ihn frage, was er macht, dass er sich so lange frei nehmen kann, antwortet er ausweichend, er habe ein ganzes Jahr freigenommen. Da ist es verständlich, dass er etwas mehr Gepäck dabei hat. Sein nächstes größeres Ziel ist Athen. Erstaunlich wie viele Leute Athen entweder als Ziel oder auch als Startpunkt ihrer Reise wählen. Offenbar übt es auf viele Europäer einen gewissen Zauber aus.

Bald komme ich auch schon in Kastrosikia an, meinem eigentlichen Ziel für heute. Irgendwann in meiner Kindheit haben wir hier mal als Familie Ferien gemacht. Ich schaue über den Strand, hinaus aufs Meer und bin hingerissen: Die Nachmittagssonne taucht alles in ein goldenes Licht, der Wind fährt durch die Oliven und lässt sie silbrig-grün schimmern, auf dem tiefblauen Meer ist ein Kitesurfer unterwegs. Ein unwirklich schöner Anblick. Besonders nach dem Regen in den Bergen, gestern.




Aber es ist erst viertel nach fünf - eigentlich noch zu früh zum Einkehren. Kurzerhand entschließe ich mich, noch 40 km weiter zu fahren - nach Parga. Parga ist ein bekannter, und ziemlich touristischer Badeort, aber trotzdem sehr schön. Der Weg dorthin führt zum Teil über eine Bundesstraße, aber auch über Nebenstraßen. Auf einer davon wimmelt es nur so vor Libellen. Dummerweise fliegen sie meist kreuz und quer über die Straße, und ein paar Male macht es ein unschönes Geräusch, als sie in Argos Speichen fliegen :( Dann kommen wir an einer Schafherde vorbei, die wieder von drei sehr professionellen Hunden bewacht wird. Der erste bellt direkt (um seine Kollegen zu alarmieren, wie Argos mir erklärt), und läuft zum Glück nicht auf uns zu, sondern parallel, zwischen seinen Schützlingen und uns. Als er seinen Kollegen erreicht, bleibt er stehen und dieser begleitet uns weiter, und beim dritten passiert wieder das gleiche. Er läuft bis zum Ende der Herde mit. Wirklich beeindruckend. Argos und ich haben ein wenig über das Verhalten von Hunden gegenüber Radfahrern nachgedacht und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Gefährlich wird es immer, wenn der Hund etwas zu beschützen hat - eine Herde oder ein Haus. Die Αδέσποτη, die herrenlosen Hunde, machen eigentlich nie Probleme. Entweder sind sie zutraulich, oder sie gehen einem einfach aus dem Weg. Aber eigentlich sind ja alle Hunde, wirklich alle, den Menschen wohl gesonnen. Außer ein paar ganz wenige Außnahmen, die einfach nicht alle Latten im Zaun haben - aber die gibt es unter den Menschen selber ja auch.

In Parga gibt es eine Burg auf einer Halbinsel, mit je einer Bucht nördlich und südlich davon. Meine Unterkunft ist genau in der Mitte. An der nördlichen Bucht ist es sehr touristisch. An der südlichen Bucht ist es maximal touristisch. Ich bleibe auf der nördlichen Seite, finde eine nette Bar und nehme vor dem Essen noch einen Tsipouro als Aperitif. Dazu bekomme ich sehr leckere frische Kirschen gereicht, was überraschend gut passt. Ich muss an ein Zitat denken, leider weiß ich nicht mehr von wem: "Der Tourist zerstört was er sucht, indem er es findet." Hier haben wir noch etwas übrig gelassen.

Morgen geht es zurück nach Korfu. Es ist gar nicht mehr weit, und ich würde ziemlich früh ankommen. Vielleicht nutze ich hier oder unterwegs nochmal meine Badehose, oder sehe mich in Igoumenitsa noch etwas um, oder mache noch einen Spaziergang durch die Stadt auf Korfu. Mal sehen. Gute Nacht für heute.





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