Montag, 10. Juni 2019

Tag 16: Von Tirana an den Llogara-Pass

Heute klingelt der Wecker um 8 - ein langer Tag steht an (da sollte ich eigentlich früher aufstehen, aber es sind ja doch Ferien). Bis ich mich aufgerappelt, mit Blasenpflaster beklebt, mit Sonnencreme eingeschmiert, angezogen, Sachen gepackt und die Taschen wieder an Argos gebastelt habe, ist es 9 Uhr - gar nicht mal schlecht. Da meine Unterkunft ja kein Frühstück bietet, fahre ich zum Markt, wo ich, trotz Pfingstsonntag, einen geöffneten Bäcker finde (Pfingsten interessiert hier natürlich niemanden). Der Markt scheint mir für eine fast Millionenstadt ziemlich klein, ist aber wohl nei gestaltet, mit festem Dach und abgegrenzten Ständen. Nachdem ich gerade aufbrechen möchte, spricht mich ein Einheimischer an - er hat Argos gesehen und stellt ein paar interessierte Fragen. Außerdem weißt er mich auf drei Dinge hin:

1. Es ist auf dem Markt extrem leise - es gibt keine Marktschreier.
2. Seien die albanischen Autofahrer mit die schlimmsten der Welt. Dieser Ansicht möchte ich heftig widersprechen: Aus Radlersicht sind sie nach den Schweizern die zweitbesten Autofahrer der Welt - sie pflegen zwar einen unverkrampften Umgang mit Verkehrsregeln, aber verhalten sich doch meist unsichtig und rücksichtsvoll.
3. Hinter dem Markt gibt es einen "Bicycle-Market" .


Den Fahrrad Markt muss ich natürlich sehen, und tatsächlich: In dieser Straße finden sich bestimmt 6 Fahrradgeschäfte, z.T. direkt nebeneinander. Ich sehe viele Ramsch, aber auch ein, zwei ernstzunehmende Rennräder und Regale mit Komponenten. Falls mal jemand mit dem Fahrrad in Tirana ein Problem haben sollte: In der Ost-West-Straße nördlich vom Markt findet man vermutlich Hilfe.




Hier hat der Künstler etwas sehr wörtlich genommen
Nach dem erneuten Sightseeing nehme ich noch einen Kaffee und dann muss ich aber wirklich los : Am Ende ist es doch wieder 10.30 Uhr, bis ich auf dem Rad sitze. Die heutige Etappe ist zwar lang, aber flach - vielleicht komme ich ja etwas schneller durch. Leider muss ich schnell feststellen, dass die Straßen, auf denen ich heute unterwegs bin, tatsächlich so schlecht sind, wie mir die griechischen Motorradfahrer, die ich in Österreich getroffen hatte, sagten. Während es in Nordalbanien eigentlich ziemlich gut war, sind zwischen Tirana und Durres einige Straßen so mit Schlaglöchern durchsetzt, dass man eigentlich schon gar nicht mehr von einer befestigten Straße sprechen kann. Zwischenzeitlich kommen nochmal 1.5 km Feldweg der 3. Kategorie dazu: Am Ende bin ich froh, dass der tapfere Argos sich nicht wieder verletzt hat.

Interessant ausgeführte Brücke hinter einer recht löchrigen Straße
Nach rund 90 km, kurz vor dem Örtchen Divjake halte ich an einer Tankstelle mit Restorant (wird hier so geschrieben), um etwas zu essen. Die Bedienung bringt mir die Karte, verschwindet, und kommt nicht mehr wieder. Da ich eigentlich nur 30 Minuten pausieren möchte, gehe ich rein und bestelle bei Ihr: Einen gemischten Salat und Spaghetti Bolognese und etwas zum trinken. Wieder passiert nichts. Ein Einheimischer kommt, bestellt, und bekommt noch vor mir sein Getränk. Ich ärgere mich schon, hier eingekehrt zu sein, als das Mädchen mit meiner kompletten Bestellung kommt. Nachdem ich die Spaghetti genossen habe, fällt mir auf, dass ich eigentlich nur zumutbare 10 Minuten gewartet habe - vielleicht war ich doch etwas unterzuckert...

Ab nun läuft es wie am Schnürchen. Die Straßen sind von der Qualität her zumindest okay, wenig befahren, und der Wind kommt meist von hinten. Da es hier ziemlich eben ist, segeln wir mit gutem Raumgewinn dahin. 10 km vor dem ursprünglichen Ziel kaufe ich nochmal Wasser und nehme ein Eis am Stiel - ich habe mir spontan überlegt, nochmal etwas weiter zu fahren. Die heutige Etappe war (bisher) lang und flach, die morgige wird etwas kürzer aber sehr bergig. Sie startet direkt mit dem Llogara-Pass, der von Null auf 1000 m hoch geht. Mein spontaner Plan ist, diesen einfach noch heute mitzumachen. Es stehen zwar schon 180 km auf dem Tacho, aber die waren topfeben und der Ruhetag hat auch geholfen: Die Beine können noch. Es ist nur schon Viertel nach sieben, also recht spät. Da Albanien in der selben Zeitzone liegt wie Deutschland, aber wesentlich weiter östlich und südlich, wird es hier im Sommer wesentlich früher dunkel. Aber ich habe ja Licht dabei. Meine einzige echte Sorge ist, ob ich zwischen 22 und 23 Uhr im nächsten Ort auf der anderen Seite des Passes noch eine Unterkunft finde. So kurbele ich den Pass hoch und muss doch bald feststellen, dass die Beine nicht mehr taufrisch sind. Außerdem ertappe ich mich dabei, dass ich von Essen träume. Als ich auf 700 m.ü.A. bin, sehe ich plötzlich ein paare Restaurants und ein Hotel mit dem klangvollen Namen "Alpin". Ich wäge kurz ab - und entscheide mich, hier nach einem Zimmer zu fragen - immerhin habe ich dem morgigen Tag schon 700 hm abgenommen - und es ist auch bereits 21 Uhr. Die richtige Entscheidung, für die ich mit leckerem Lamm und einem Raki zum Digestiv belohnt werde.

Morgen wird uns der Weg entlang der "Albanischen Riviera" über Sarande ins griechische Igoumenitsa führen, von wo aus wir die Fähre nach Korfu nehmen. Dort sind es noch überschaubare 27 km bis nach Hause. Wenn ich daran denke, dass ich morgen nach 16 Tagen auf dem Rad (den Tag in Tirana habe ich nicht mitgezählt) tatsächlich auf Korfu ankommen werde, verspüre ich ein Bündel von Gefühlen, die ich erst noch etwas entwirren muss. Dazu habe ich zum Glück morgen auf der Fähre 2 Stunden Zeit. Euch allen einen schönen Pfingstmontag, nach einem hoffentlich schönen Pfingstsonntag. Gute Nacht für heute.





Ein Radweg in Vlore




Deutschland hat noch einen guten Namen in Albanien




2 Kommentare:

  1. Das ist doch bestimmt bewegend, wenn man nach der langen Strecke das Ziel den Tag über bereits sehen und die Familie an Strand winken fühlen kann. :)

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