Samstag, 15. Juni 2019

Tag 22: Von Ioannina (Epirus) über den Katara-Pass nach Trikala (Thessalien)

In der Nacht ist es super warm in meinem Zimmer. Schwitzend liege ich auf dem Bett, ohne Bettdecke. Die Klimaanlage möchte ich aber auch nicht anmachen; das Gerappel und den Zug mag ich noch weniger. Bald klingelt schon der Wecker. Immerhin sind meine Sachen über Nacht 1a getrocknet. Schnell mache ich mich fertig. Als ich vor dem Haus stehe und gerade losfahren möchte, kommt eine ältere Witwe die Straße entlang. Ich wünsche ihr höflich einen guten Tag, woraufhin sie meinen Gruß erwidert und stehen bleibt: "Möchten Sie ein bisschen...". Sie hat eine typische Süßigkeit dabei, ein eingelegtes und gezuckertes Getreide, was zu bestimmten sozialen Anlässen gereicht wird (ich habe dummerweise vergessen, welche). Sie löffelt mir einen Plastikbecher voll, wofür ich mich begeistert bedanke. "Να είσαι καλά, Παλικάρι." - "Auf Dein Wohl", für Παλικάρι fällt mir keine treffende Übersetzung ein. Langenscheidt meint "ganzer Kerl", was auch nur ein unbeholfener Versuch einer Übersetzung ist. Am ehesten trifft es "mein Junge" in wohlwollender Form - und diese Anrede ist in Deutschland unter Fremden genau so unüblich, wie jemandem Fremden auf offener Straße eine Süßigkeit zu schenken. Diese unmittelbare Arglosigkeit, dieser herzliche und vertraute Umgang sind typisch griechische Eigenschaften, die ich absolut schätze.


Nach dieser schönen Begegnung frühstücke ich noch ein weiteres Mal - bei einem Bäcker. Ein Typ, etwas älter als ich, setzt sich zu mir. Er hat Argos gesehen und stellt mir ein paar interessierte Fragen. Dann erzählt er, dass er Busfahrer ist, und in ein paar Stunden wieder zurück in eine andere Stadt fährt. In Griechenland gibt es, vermutlich wegen der Berge, nur wenig Eisenbahnen und stattdessen Überlandbusse. Jetzt stelle ich interessierte Fragen: Ich erfahre, dass er, obwohl er für die griechische Busgesellschaft fährt, seinen Bus selber kaufen müsste (250.000 €!). Als er dann erzählt, dass es obligatorisch ist, alle 13 Jahre einen neuen Bus zu kaufen, frage ich ihn, ob es sich überhaupt lohne, worauf er nachdenklich den Kopf wiegt. Dann unterhalten wir uns noch etwas über private Dinge (er hat einen 11-jährigen Sohn, ist aber von der Mutter getrennt und wir sind tatsächlich gleich alt)... Wir verabschieden uns und wünschen uns alles Gute - wieder eine typisch griechische Begegnung :)

Nun wird es aber Zeit für Argos und mich. Wir verlassen das schöne Ioannina und fahren den See entlang in die Berge. Die Straße steigt kontinuierlich an, und wie gestern haben wir sie für uns - kaum Autos. Irgendwann sehe ich ein paar Ziegen neben der Straße. Eine von ihnen fängt plötzlich an zu bellen, rennt auf uns zu und fletscht die Zähne. Während ich noch über diese merkwürdige Ziege staune, schüttelt Argos mich ab, stellt sich zwischen uns und raunt mir zu: "Das ist ein Hirtenhund, ein Profi. Er sagt dass er uns in Ruhe lässt, wenn wir uns langsam davonmachen." Von Hund zu Hund gibt es eben doch weniger Missverständnisse. Wir tun wie geheißen, und der brave Hirtenhund kehrt zu seiner Herde zurück, um sich wieder in eine Ziege zu verwandeln.

Die Straße geht noch immer wieder auf und ab, bis der eigentliche Anstieg zum Pass kommt. Irgendwann ist es aber soweit. Die Umgebung ist schon länger auf Berge umgestellt, es riecht nach Kiefern und Ginster, die Farben sind in der klaren Atmosphäre wunderbar intensiv und an manch höherem Gipfel sehe ich noch den einen oder anderen Schneeflecken. Als ich in einem Dorf vorbeikomme, rufen mich ein paar Leute vor einem Kafeneion: "English?" - "Yes, but Greek as well.", antworte ich. "Ahh, komm zu uns, komm komm.". Drei Männer sitzen vor dem Laden und die Wirtin steht daneben. Irgendwie habe ich Lust auf ein Schwätzchen, es ist gerade etwas anstrengend... Allerdings ist die Konversation auch nicht einfach, weil fast alle gleichzeitig auf mich einreden. Die Wirtin fragt mich direkt, ob ich nicht für 2 Wochen für ein paar kleinere Arbeiten bei ihr bleiben wolle. Ob ich ihren Kühlschrank reparieren könne. Aber die Uhr, die könne ich ihr ja wohl wenigstens reparieren... Ich frage mich was noch alles kaputt ist. Die Männer interessieren sich für Argos und die Reise. Wie viele Gänge er hat, was das für merkwürdige Reifen seien... "Was machst Du mit den Hunden? Hast Du irgendetwas, um sie zu vertreiben?" - "Nein, wenn Hunde kommen..." Er lässt mich nicht ausreden: "Du hast nichts dabei?! Und was willst Du dann machen? Deine Pistole herausholen?", und er formt mit der Hand eine Pistole und hält sie sich in den Schritt. Schallendes Gelächter. Damit geht das Gespräch in eine andere Richtung und ich verabschiede mich höflich - ich habe ja auch noch ein gutes Stück Weg vor mir.







Ungefähr 400 hm unterhalb der Passhöhe esse ich zu Mittag. Als ich wieder losfahre, merke ich plötzlich meine Beine. Zeit für ein Jens Voigt-Zitat: "Shut up legs!". Nach ein paar Minuten hören sie tatsächlich wieder auf zu jammern und es geht der Passhöhe entgegen. Auf knapp über 1600 m.ü.A. ist es auch in Griechenland angenehm kühl und sehr grün. Die Vegetation ist hier wie in gemäßigten Klimazonen und die Gipfel sehen praktisch genau wie in den Alpen aus. Mir kommt ein Radreisepaar in meinem Alter entgegen, aber ansonsten ist es ruhig. An der Passhöhe laufen ein paar Kühe und ein Stier über die Straße. Obwohl weder Argos noch ich die Sprache der Kühe verstehen, ist doch schnell klar, dass er mit seinen Kühen lieber alleine sein möchte. So rollen wir vorsichtig an ihm vorbei und stürzen uns in die 16 km lange Abfahrt :) Irgendwann ist wieder eine Ziegenherde an der Straße - mit 3 sehr professionell wirkenden Hütehunden. Ruhig aber superaufmerksam betrachten sie uns - zum Glück ist der Hirte auch da. Ich grüße ihn und bitte, dass seine Hunde uns nicht aufessen mögen, woraufhin er sie zurück hält und wir unsere Fahrt fortsetzen.

Irgendwann kommen wir um eine Kurve - und sehen die Meteora-Felsen. Es ist ein toller Anblick. Auch wenn es auf meinen Bildern nicht so herauskommt: Diese Landschaft ist wirklich beeindruckend und die Klöster auf manchen der Felsen sind es ebenfalls. Nicht umsonst müsste James Bond auch hier schon die Welt retten. Ich bedaure ein wenig, nicht mehr Zeit zu haben und die Panoramastraße nicht machen zu können, aber ich möchte noch weiter nach Trikala und habe schon ordentlich was in den Beinen. Es ist wirklich erstaunlich, aber ab Meteora gibt es plötzlich keine Berge mehr, sondern die Landschaft ist topfeben. Die Straße führt tatsächlich rund 18 km schnurgerade nach Trikala. Das ist wirklich wie in einem Western... In Trikala finde ich, zu meiner Überraschung bei Booking kein Hotel. Auf gut Glück versuche ich es im Panhellinion, dem ehemals 1. Haus am Platz. Es ist ein altmodisches Hotel, dem man aber seine stolze Klasse immer noch ansieht. Ich mag diesen etwas morbiden Charme - und habe Glück.

Morgen geht es etwas weiter südlich wieder zurück durch die Berge. Ich bin gespannt, denn diesen Weg kenne ich noch nicht. In jedem Fall wird es nochmal reichlich zu Klettern geben. Es ist also schon wieder Zeit fürs Bettchen. Gute Nacht für heute.












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