Mittwoch, 19. Juni 2019

Tag 25: Von Parga nach Pagi (Korfu)

In dieser Nacht schlafe ich zuerst mit Klimaanlage, die ich dann aber nach ein paar Stunden, als ich zufällig aufwache, wieder abschalte. Himmlisch, diese Ruhe! Kurz bevor der Wecker klingelt wache ich dann aber doch auf, weil es wieder ziemlich warm ist. Eigentlich ganz gutes Timing. Gemütlich mache ich mich fertig, denn heute wartet eigentlich nur ein halber Tag auf mich. Unten vor dem Haus treffe ich Elona, die sich um die Vermietung kümmert. Sie unterhält sich mit einer griechischen Dame, um die 60. Die Dame heißt Kiria Voula, also Frau Voula, wie ich bald erfahre (in Griechenland ist es, außer bei sehr formellen Anlässen, üblich, Personen die man siezt mit Frau bzw. Herr und dann dem Vornamen anzureden; in meinem Fall also Herr Thomas). Kuria Voula fragt mich, ob mein Fahrrad ein E-Bike wäre, ihr Sohn habe sich nämlich eines gekauft und sei sehr zufrieden. Sie kann gar nicht verstehen, warum ich nicht auch ein E-Bike benutze, das wäre doch so viel angenehmer bei den ganzen Bergen. Ich versuche gar nicht erst, es ihr zu erklären… Dann erzählt sie von ihrem Sohn, der in Zürich lebt und „Ingenieur für Flugzeuge" ist. „Bravo" sage ich, völlig ohne Ironie. Während es in Deutschland eher üblich ist, nicht mit seinem gesellschaftlichen Status zu hausieren, habe ich es in Griechenland schon häufig erlebt, das jemand sich vorstellt und direkt seinen Beruf dazu sagt – wenn es denn ein angesehener Beruf ist. Und dementsprechend ist es auch üblich, Anerkennung dafür zu zollen. Dann erfahre ich, dass Kiria Voila auch in Zürich lebt. Wie viele Griechen, die mehr als die Hälfte ihres Lebens im Ausland verbracht haben, ist sie sehr streng mit ihrer Heimat und zieht verschiedene Vergleiche mit der Schweiz (Müllentsorgung, Radwege…). Das ist aber auch wirklich ein harter vergleich: In vielen Dingen liegen die hoch reglementierte Schweiz und das Laissez-faire Griechenland diametral auseinander. Mit entsprechenden Vor- und Nachteilen auf beiden Seiten. Als ich mich verabschiede, bekomme ich nochmal die Vorteile Griechenlands in Form von rührender Herzlichkeit geboten: „Alles Gute für Dich, mein Junge. Fahr vorsichtig, mein Kind…" Ist das griechische oder mediterrane Herzlichkeit? Ich erinnere mich, dass mir vor rund 11 Jahren in Turin in einem Schuhgeschäft die Verkäuferin in die Wange gekniffen hat… Jedenfalls fühle ich mich, als würde ich mich von einer Tante verabschieden.

Bis Igoumenitsa sind es gut 50 km entlang der Küstenstraße. Es ist schon recht warm und geht viel auf und ab, aber gottseidank gibt es wenig Verkehr und es ist eine schöne Landschaft. Ich komme durch Syvota und Plataria, einen größeren und einen kleineren Badeort, und plötzlich wird mir bewusst, dass ich gleich schon in Igoumenitsa sein werde. Zufällig komme ich an einem Schild vorbei: „Plas Gata", der Katzenstrand. Ich denke mir zuerst nichts dabei, aber ein wenig weiter sehe ich eine kleine Kieselbucht mit klarem Wasser, umrahmt von Olivenwald. Ein sehr verlockender Anblick. Und wenn sich auf Reisen ein Motto bewährt hat, dann dieses: „Man soll die Feste feiern, wie sie fallen." Also ab an den Strand. Es ist wirklich sehr angenehm: Klein, ruhig, sauber und ich bin fast der einzige Nicht-Grieche. Es gibt eine kleine Kantina, also einen alten Wohnwagen, wo man Getränke und ein paar Kleinigkeiten zum essen kaufen kann. Ein Mädchen mit einer sehr tiefen Stimme bringt mir einen Toast und einen Tsipouro und so verbringe ich einen bequemen, sonnigen Nachmittag.

Kurz nachdem ich losgefahren bin, erreichen wir auch schon Igoumenitsa. Dieses Mal schaffe ich zum Glück die 18.30 Uhr Fähre. Die Überfahrt verbringe ich an Deck und beobachte die Möwen, die das Schiff begleiten. Geschickt „surfen" sie auf der Umströmung des Schiffes (die gasförmige Phase), so dass sie kaum einen Flügelschlag zu tun brauchen. Sie haben nicht den blassesten Schimmer von Potentialströmungen, geschweige denn von den Navier-Stokes Gleichungen, aber sie kommen mit der Strömung besser zurecht, als Theodore von Kármán persönlich.

Auf dem Heimweg vom Hafen esse ich noch schnell eine Kleinigkeit und lade schon mal die Bilder des heutigen Tages über das WLAN hoch (mein Datenvolumen geht bereits wieder zur Neige). Als ich dann ankomme, stehen für heute 84 km auf dem Tacho – ein ziemlich entspannter Tag.

Ich habe nun noch drei Tage hier auf Korfu, bevor ich die Fähre nach Venedig nehme. Morgen wird es ein ganzer Ruhetag (deswegen wird es auch keinen Bericht geben, außer es passiert etwas ganz Verrücktes). Übermorgen wollen Argos und ich aber noch eine Runde drehen: Es gibt einen klassischen Ausflug in den Süden der Insel, den meine Schwester und ich eigentlich jedes Mal machen, wenn wir hier sind. Mal sehen, wie das mit dem Rad geht. Den nächsten Bericht gibt es also spät am 20. bzw. morgens am 21. zu lesen. Bis dahin und gute Nacht für heute.

3 Kommentare:

  1. Ein wunderbarer Exkurs in die Strömungsmechanik und dann auch noch an einem so schönen Ort! Ich muss mich gerade mit der hexagonalen Zellularkonvektion des Öles in meiner Pfanne begnügen. Ist aber auch schön anzusehen :-) .
    Grüße
    Lutz

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