Sonntag, 30. Juni 2019

Tag 29: In die Stadt und mit der Fähre in Richtung Venedig

An diesem Tag klingelt der Wecker um 4 Uhr morgens. Am Vorabend hat mal wieder alles etwas länger gedauert, so dass dies eine recht kurze Nacht war. Ich bin aber doch froh, dass ich endlich aufstehen darf - ich konnte überhaupt nicht schlafen. Als ich mir die Zähne putze, wird mir dann doch anhand einiger sehr unangenehmer und realitätsnaher Träume bewusst, dass ich doch geschlafen haben muss. Aber jetzt ist nicht die Zeit darüber nachzudenken. Eine halbe Stunde nachdem der Wecker geklingelt hat fahren Argos und ich los - ein Rekord auf dieser Reise, dem aber auch Frühstück und sogar Kaffee geopfert wurden.

Anfangs ist es noch völlig finster und es ist praktisch noch niemand auf den kleinen Straßen, die wir zunächst nehmen, unterwegs. Im nächsten Dorf tut sich dann doch etwas: Verführerisch duftet es aus einer gleißend hell erleuchteten Backstube. Offenbar gibt es keinen Verkaufsraum und so ist mir noch nie aufgefallen, dass hier gebacken wird. Jedenfalls schaue ich die Bäcker genau so überrascht an, wie sie mich. Als wir weiter in Richtung der Stadt kommen, sind etwas mehr Menschen unterwegs, aber insgesamt ist es doch noch sehr ruhig. Dafür tut sich im Osten etwas: Das Schwarz des Nachthimmels verwandelt sich ganz langsam in Dunkelblau und bald ist auch schon die zarte Morgenröte dabei. Als Langschläfer sage ich mir oft, dass Sonnenuntergänge genau so schön seien, aber es ist doch nicht das selbe: Zu dieser Jahreszeit schlafen bei Sonnenaufgang fast alle; man hat ihn ganz für sich alleine und es ist eine wunderbare, friedliche Stimmung. Und es ist eben doch etwas anderes, wenn die Sonne uns einen neuen, hoffnungsvollen und reinen Tag bringt, als wenn sie uns in die Nacht entlässt.

Ein neuer Tag beginnt


Die aktuelle Flaggschiff von Greenpeace im Hafen von Korfu: Die Rainbow Warrior III



Und da kommt die Sonne
Unterwegs komme ich bei "Emeral" vorbei, einer Bäckerei und Konditorei, die eigentlich schon früh öffnet, aber um viertel nach fünf sehe ich noch nicht mal Angestellte im Laden. Im Hafen checke ich erstmal ein, aber es sind noch 2 1/2 Stunden Zeit bis das Schiff abfahren soll (es ist noch nicht einmal da). Gottseidank finde ich in der Nähe einen Bäcker, der doch schon geöffnet hat, so dass ich an der Hafenmole mit Frühstück das Finale des Sonnenaufgangs genießen kann.

Als die Sonne dann da ist, geht es plötzlich ziemlich schnell: Es wird sofort warm und sehr hell. Ich spaziere ein wenig zwischen den Autos umher und sehe mir meine Mitreisenden an: Junge Familien mit kleinen Kindern, Rentner, ein paar Motorradfahrer. Noch Vorsaison. Als das Schiff kommt, beginnt das übliche Durcheinander: Die Parkanweiser von der Fähre rufen lauthals und wild gestikulierend ihre Anweisungen, die Fahrer schauen nervös hin und her, einige Passagiere haben noch etwas in den Autos vergessen, aus dem Inneren des Schiffes schwallen Hitze und Lärm, es riecht nach Diesel und Abgasen: Der Inbegriff einer Sommerferienreise - Herrlich :)

Ein "Flying Dolphin", ein Tragflächenboot

Der 900 m lange Anleger für Kreuzfahrtschiffe...



Schon an der Rezeption wird es aber wieder zivilisierter. Es dauert nicht lange bis mich ein altmodisch höflicher Steward zu "meiner" Kabine führt: Ich habe ein Bett in einer innenliegenden 4er Kabine gebucht. Zwei Betten sind bereits belegt, und meine Zimmergenossen wachen kurz auf, als das Licht angeht. Schnell werfe ich meine Sachen aufs Bett und gehe sofort wieder an Deck, denn ich möchte noch ein paar letzte Blicke auf Korfu, Griechenland und Albanien werfen. Ungefähr 3 Stunden lang sieht man noch die Küste, bis sich hinter der Straße von Otranto das Ionische Meer in die Adria aufweitet, und das Land außer Sicht gerät.So lange bleibe ich an Deck und mein Blick wechselt immer wieder zwischen Korfu und der "albanischen Riviera", die ich nun mit anderen Augen sehe, als so viele Male zuvor.

Blick auf Saranda

Erkennt man die Südseite des Llogara-Pass?

Und ein letzter Blick auf das liebe Korfu



Als das Land nicht mehr zu sehen ist, spüre ich langsam, dass es doch eine kurze Nacht war, und gehe für einen Mittagsschlaf in die Kabine. Die Beiden anderen Schlafmützen liegen immer noch in ihren Kojen. Ich schlafe für 2 Stunden und als ich aufstehe, liegt der Typ unter mir immer tatsächlich immer noch in seinem Bett und schaut irgendetwas auf seinem Tablett. "Jeder wie er meint", denke ich mir, und beeile mich, wieder an Deck zu gehen. Inzwischen ist der Himmel etwas zugezogen, aber es ist immer noch wesentlich besser als in der dunklen Kabine. Ich spaziere über das gesamte Schiff, staune über die Menschen, die rauchend vor den Spielautomaten sitzen und setze mich schließlich wieder an Deck, wo ich meine Mitreisenden betrachte. Ich mag das Reisen mit der Fähre: Es werden einem 25 Stunden geschenkt, in denen man in der Sonne sitzen, etwas lesen, oder gar nichts tun kann. Und nicht viel mehr. Zwischendurch esse ich im Restaurant, unter anderem ein vorzügliches Arakas, einen Erbseneintopf mit Tomate, Möhren, Dill und Olivenöl, nehme einen Frappé und gönne mir am Abend an der Bar noch ein letztes Fix. Irgendwann, kurz nach Sonnenuntergang, tauchen nochmal ein paar Inseln auf. Mein Handy verrät mir, dass dies Sveti Andrija und Bisevo sind, vor der Küste Dalmatiens. Von hier aus hatte ich noch 6 Fahrradtage bis Korfu, die Fähre brauchte rund 14 Stunden... Trotz dieses gemütlichen Tages werde ich irgendwann müde und gehe wieder zu meinen Stubenhocker-Kabinengenossen, wo ich ziemlich schnell in einen tiefen Schlaf falle.

Am folgenden Tag werden Argos und ich von Venedig über Vicenza nach Verona fahren, und dort den lieben Kollegen Tobias samt lieber Familie treffen. Das ist mir nochmal einen extra Eintrag wert, den ich aber noch nicht für morgen versprechen kann: Inzwischen bin ich tatsächlich wieder zu Hause und der Alltag hat mich wieder. Dazu wird es vielleicht auch noch ein paar Gedanken geben :) Aber nun gute Nacht für heute.




Bisevo, dahinter Vis

Sveti Andrija

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für den neuen Bericht. Es macht so viel Freude nun auch noch das "happy end" dieser tollen Geschichte "miterleben" zu dürfen.

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