Dienstag, 28. Mai 2019

Tag 3: Durch Franken und Schwaben

Heute bin ich irgendwie mit dem falschen Fuß aufgestanden. War das Kopfkissen zu hoch? Hätte ich es bei dem Achtel belassen sollen und nicht noch ein Viertel von dem lokalen Rotwein nehmen sollen (gerade nach körperlicher Betätigung reagiere ich manchmal sehr empfindlich auf Alkohol)? Oder ist das etwa doch alles zu anstrengend? Den letzten Gedanken schiebe ich direkt beiseite und beschließe, dass ich einen Kater habe. Jedenfalls habe ich ein unangenehmes Ziehen im Nacken und eine unangenehme Ahnung von Kopfschmerz. Beim Frühstück versuche ich, dagegen anzuessen, was nur so halbwegs funktioniert. So fahre ich heute etwas gebremster los, als die Tage zuvor - zum Glück steht heute etwas weniger an. Immerhin ist die Umgebung wunderschön, es geht das Taubertal hinauf.

Lustige gefiederte Freunde :)



Aber irgendwie läuft es nicht so. Argos versucht alles, um meine Laune zu verbessern, rollt leicht und geschmeidig, schaltet präzise, lässt nur die Kette ganz leise und beruhigend klickern. Aber mit mir ist nicht viel los. Düster denke ich an Mark Beaumont, einen knochenharten Schotten, der den Weltrekord für die Weltumrundung mit dem Fahrrad hält (78 Tage). Ein wunder Hintern sei ja eigentlich bloß ein kosmetisches Problem, sagte er mal in einem Interview. Ich versuche mich zu trösten und denke an andere Radfahrerweisheiten. Katie Kookaburra, eine englische Langstreckenfahrerin meint, wenn es hart wird denke sie immer "It's only riding a bike.". Dann denke ich an etwas, was sie irgendwie alle sagen: Wenn Du Dich gut fühlst, werden Momente kommen in denen Du Dich schlechter fühlst. Und wenn Du Dich schlecht fühlst, kommen auch wieder Momente in denen Du Dich besser fühlst. Diese Aussage finde ich wirklich tröstlich, trifft sie doch nicht nur auf das Radfahren, sondern auf das ganze Leben zu. Ich warte also, dass es besser wird, aber ich bleibe undefiniert unwohl. Irgendwann zeigt der Tacho 68 km, als ich an einem Bäcker vorbei komme. Obwohl ich noch gar keinen Hunger habe, verputze ich eine Leberkässemmel, ein Schnitzelbrötchen, einen Berliner und gieße noch einen Kaffee hinterher - nach der fetttriefenden Käsepizza von gestern ist dies quasi was Leichtes.

Und siehe, plötzlich geht's wieder besser. Die Kopfschmerzen sind weg und der Rest nur noch halb so wild. Endlich beginne ich, die Fahrt zu genießen: Eine sanft gewellte Landschaft mit einzelnen kleinen Ortschaften, von denen einige wirklich sehr schön sind. Dinkelsbühl zum Beispiel. Am Ortseingangsschild rühmt man sich vollmundig mit der "schönsten Altstadt Deutschlands", wie angeblich mal der Focus geschrieben hat. Fakten, Fakten, Fakten... Ob die japanische Reisegruppe, die mir als erste über den Weg läuft, auch Focus liest? Es ist dann aber wirklich sehr schön. Besonders das Münster hat es mir angetan: Von außen recht trutzig, aber von innen sehr licht und elegant. Und der einbeinige heilige Aurelius, den sie ausliegen haben ist irgendwie auch ein Schmankerl: Bei einer Schändung im Jahre 2010 ist wohl sein linkes Bein abhanden gekommen... Trotzdem haben sie den Armen wieder tapfer in seinen gläsernen Sarg gelegt. Vor der Kirche setze ich mich in die Sonne, esse ein Eis und sehe dem Treiben auf dem belebten Platz zu.








Argos lehnt lässig am Münster und checkt die Lage
Als ich weiterfahre bin ich wirklich dankbar, dass ich die Fahrt endlich wieder genießen kann. Radfahren ist eine tolle Sache, besonders wenn der Kater vorüber ist. Vorsichtshalberbeschließe ich, heute Abend bei alkoholfreiem Weißbier zu bleiben. Irgendwann taucht ein merkwürdiger Hügel vor mir auf: Steil, unbewaldet und teils sogar felsig sieht er aus, als habe man einen Voralpengipfel hierher verfrachtet. Ist dies die fränkische Schweiz? Den Namen hätte dies jedenfalls verdient.

Als ich schließlich in Donauwörth ankomme, treffe ich Peter an der Pension (heute wieder kein Netzzelt, Regen ist angesagt). Er wandert den Donauradweg (zu Fuß) von Donaueschingen bis Passau. Wir verabreden uns zum Abendessen, wo wir uns über unsere Wehwehchen austauschen, und dass wir es trotzdem beide super finden, mal aus eigener Kraft unterwegs zu sein...

Der Blick auf den Wetterbericht für die nächsten drei Tage dämpft meine Euphorie gerade etwas, aber Mark Beaumont würde klatschnasse Klamotten wohl auch als kosmetisches Problem sehen, da will ich nicht die Prinzessin auf der Erbse spielen. Und außerdem machen die Kollegen Meteorologen ja auch nur CFD - es gibt Hoffnung. Gute Nacht für heute.








1 Kommentar:

  1. Das sind die Tage die zählen. Wenn eigentlich nichts läuft und man sich trotzdem durchbeißt! :-) Wirklich schöne Bilder!

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